Februar 2020, zweiter Beitrag zu den drei Mädchen

Kinder im freien Fall,

unsere drei Mädchen sind dafür ein trauriges Beispiel. Die Arbeitsmigration nach Europa fordert ihren Tribut.

Im September 2019 erfuhren die Kinder, dass ihre Mutter, die in Deutschland arbeitete, nicht wieder zurück kommen würde. In dieser Situation waren wir bei ihnen. Die Kleinste, der Sprache kaum mächtig, verstand alles – und verfiel in eine ‚Schlafohnmacht‘ aus der sie erst Stunden später wieder erwachen sollte.

Zurückgelassen ohne Eltern,

werden die Kinder von einer provisorischen Unterkunft zur nächsten weitergeschoben. Zeitwiese waren die Kinder nicht mehr im Ort und damit außerhalb unserer Reichweite.

Jetzt im Januar haben wir sie plötzlich wieder im Ort angetroffen – und waren schockiert! Völlig verwahrlost, unterernährt und teils mit Erfrierungen standen sie vor uns. Das älteste der Mädchen konnte wegen ihrer Verletzungen am Fuß und den Zehen kaum mehr gehen. Mir ihr sind wir dann sofort zum Arzt. Seither kümmern wir uns intensiv um die Kinder, auch am Wochenende: Versorgen die Wunden, kümmern uns darum, dass Lebensmittel auch zu Hause vorhanden sind und jetzt im Winter vor allem auch um das Holz zum Heizen.

Stand heute Februar 2020, haben sich die Kinder wieder stabilisiert, morgens holen wir die Kinder zu Hause ab und bringen sie zunächst ins BuKi-Haus zum Frühstück und anschließend in den örtlichen Kindergarten bzw. in die Schule. Zum Mittagstisch sind sie wieder im BuKi-Haus und werden bis um 17.00 Uhr von BuKi betreut.

Leider werden die drei von diesen traumatisierenden Schicksalsschlägen geradezu verfolgt. So gut es geht versuchen wir bei den Kindern zu stehen.

September 2019, unser erster Beitrag zu den drei Mädchen

BuKi-Kinder in tragischer Lebenssituation

Kinderarmut ist nicht akzeptabel. Doch wie kommt es, dass Kinder in solch gravierende Schieflagen geraten? Mit welchen Herausforderungen die Betreuerinnen von BuKi täglich konfrontiert werden und mit welchem persönlichen Engagement sie gestrandeten Kindern helfen, das zeigt nachfolgender Bericht.

Täglich schenken unsere Kolleginnen den BuKi-Kinders menschliche Zuneigung und Wärme, eine Tagesstruktur, Ernährung, medizinische Hilfen; die Kinder können sich bei uns waschen, von 7 Kindern werden bei BuKi die Kleider gerichtet und aufbewahrt. Ein breites Angebot an sozialen Dienstleistungen bietet die Basis für die pädagogische Arbeit, die ohne die sozialen Stützen undenkbar wäre.

Fast all unsere Kinder sind arm, doch einige von ihnen stehen vor dem Abgrund

Ein aktuelles Beispiel bietet ein 7-jähriges BuKi-Kind, das oft nicht zur Schule oder zu BuKi kam, da sie auf ihre beiden jüngeren Schwestern aufpassen musste – ein häufiger Grund, weswegen viele der jüngeren Mädchen nicht zur Schule gehen können, auch wenn sie gerne wollten. Während das 7-jährige Mädchen also eigentlich in der Schule sitzen sollte, passt sie auf ihre 5- und 3-jährige Schwestern auf. Nebenbei übernimmt sie Aufgaben, wie zum Beispiel kochen, waschen und aufräumen. Uns Erwachsenen fällt es schon oft genug schwer, uns um den Haushalt zu kümmern und dazu noch zwei kleine Kinder zu erziehen. Schwer vorstellbar, wie das für ein Kind sein muss.

Die Kinder schliefen, die Tür stand offen

Wie oft war eine unserer Betreuerinnen morgens bei der Familie, um das Mädchen zu wecken. Um halb acht Uhr morgens lagen alle drei noch im Bett und schliefen. Von den Eltern fehlte jede Spur. Die Tür war manchmal sperrangelweitoffen, jeder Mensch konnte problemlos ins Haus gehen. Mit der Mutter wurden oft Gespräche darüber geführt, wie man gemeinsam eine Lösung für die Situation finden könnte, der Vater hingegen war nie anzutreffen. Dieser arbeitete schon seit Monaten in Deutschland, die Kinder haben kaum einen Bezug zu ihm.

Als die Mutter schließlich auch nach Deutschland ging, um drei Monate als Erntehelferin zu arbeiten, wurde die viel ältere und erkrankte Tante gefragt, ob sie auf die drei Mädchen aufpassen könne. Diese erklärte sich netterweise dazu bereit, ist aber leider mit der Erziehung überfordert. Obwohl sie zwar ihr Bestes tut, reicht dies leider nicht aus. Trotz ihrer Krankheit arbeitet sie dazu noch auf dem Feld.

Wenn Kinder Kinder erziehen …

Das älteste Mädchen ist 7 und muss die Rolle der Mutter übernehmen. Sie kann ihre kleinen Schwestern nicht erziehen, sie braucht ja selbst jemanden, der ihr hilft, sich auf dieser Welt zurechtzufinden. Als unsere Leiterin des Hauses eines Tages eine Runde durchs Viertel machte, sah sie die drei Mädchen auf der Straße spielen. Mit Messern… Da wird dann nicht mehr groß nachgedacht, sondern glücklicherweise direkt gehandelt.

Bei einem Gespräch mit der Tante, wurde dieser angeboten, dass alle drei Mädchen ins BuKi Haus kommen dürften. Für die Tante war es eine enorme Entlastung, die sie dankend annahm. Im BuKi Haus bekamen alle drei Kinder regelmäßige Mahlzeiten, wurden geduscht und konnten den verpassten Schlaf nachholen. Bevor wir uns als Einrichtung auf die Bildung fokussieren, müssen wir uns erst einmal um die Grundbedürfnisse kümmern. Bevor diese nicht gestillt werden, machen alle anderen Versuche wenig Sinn.

Alle drei Kinder sind glücklich im BuKi Haus, sie können es kaum erwarten zu kommen, zeigen eine unglaubliche Freude und wollen gar nicht wieder nach Hause. Was dies alles für die Betreuerinnen bedeutet, können sie zum Glück noch nicht verstehen: Z.B. dass eigentlich allein eine Fachkraft nur für die beiden kleineren Mädchen benötigt wird, da beide sehr viel Aufmerksamkeit benötigen.

Die Eltern werden nicht wieder kommen, die Kinder hören jedes Wort

Wir wünschten, wir könnten den Artikel so abschließen und sagen, dass wir die Kinder so lange betreuen, bis die Mutter aus Deutschland heimkehrt. Dem ist aber leider nicht so. Beim letzten Besuch der Familie erzählte uns die Tante unter Tränen, dass beide Eltern nicht wiederkommen werden. Alle drei Kinder sind dabei, hören jedes Wort.

Die Mutter hätte einen neuen Mann in Deutschland gefunden und möchte in die Beziehung ohne Altlasten gehen. Der Vater hat sich vorher nicht um die Kinder gekümmert und wird dieser Verantwortung auch weiterhin nicht nachkommen. Es ist eine Tragödie, die man nicht beschönigen kann. Die Tante verlangte von uns, dass wir die Kinder ins Waisenheim bringen – aber nur die beiden jüngeren. Die ältere will sie behalten. „Die beiden jüngeren können wir ruhig haben, die mittlere sei ja eh gestört.“

Unvorstellbar, was das bei den Kindern auslöst. Wir schaffen es, ruhig zu bleiben, auf die Tante einzureden und versichern ihr, dass wir sie unterstützen werden und gemeinsam nach einer Lösung suchen werden, die für die Kinder am besten sei. Am liebsten würden wir die drei Mädchen einpacken und mitnehmen, was wir in dem Moment auch machen.

Alle drei Mädchen wirken traumatisiert, die Kleine liegt lethargisch in meinem Arm und ich finde keinen Zugang zu ihr. An dem Nachmittag nehmen wir sie mit ins BuKi Haus, waschen sie, geben ihnen etwas zu Essen und sehen, wie sie wieder etwas auftauen und wieder zaghaft lächeln. Unser Auftrag ist nun klar, wir müssen handeln.

BuKi – zwischen Herz und Verstand.

Jetzt zum Schulbeginn haben wir 30 neue Kinder der ersten Klasse, die viel Aufmerksamkeit und Geduld benötigen. Kinder, die ohne Regeln und Grenzen aufwachsen, brauchen viel Zeit, um zu lernen, was Regeln überhaupt bedeuten. Die beiden kleineren Mädchen sind zum einen viel zu jung für das reguläre BuKi-Programm, zum anderen brauchen die beiden allein die Aufmerksamkeit einer Fachkraft. Wer achtet auf sie, geht mit ihnen auf die Toilette, zieht sie um, wenn doch mal etwas daneben geht, zeigt ihnen wie man ordentlich isst, wiegt sie in den Schlaf, bis auch sie mal ihren wohlverdienten Schlaf erhalten?

Herz oder Verstand? Die Herausforderungen für unsere Kolleginnen sind groß – und kaum zu leisten. Wir versuchen der Tante in ihrer verzweifelten Lage mit Lebensmittel, und gerade jetzt vor dem Winter, mit Holz zu unterstützen. Darüber hinaus suchen wir nach einer Betreuerin, die vor allem auch über das offizielle BuKi-Programm hinaus, sich um die Kinder und die Familie kümmert.

Ob unsere Hilfen und unser Engagement greifen wird, wissen wir heute noch nicht. Wir hoffen jedoch alle, dass die Mädchen zusammen bleiben können und nicht ins Waisenhaus abgeschoben werden.

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