Lukas – vor fünf Jahren war er das erste Mal in Cidreag, als Student hat er seinen Weg zu BuKi gefunden, um sein praktisches Semester in Rumänien zu absolvieren. Seitdem kommt er jährlich zurück nach Cidreag.

Dantin – er ist alleinerziehender Vater, wohnt in Cidreag. Seine zwei Söhne kommen täglich ins BuKi-Haus.

Lukas und Dantin – sie lernten sich im Dorfladen kennen. Aus ersten Gesprächen und abendlichen Besuchen erwuchs eine besondere Freundschaft.

Tag und Nacht

Wenn Lukas in Cidreag ist, sehen sich die beiden täglich, um Zeit miteinander zu verbringen, um sich zuzuhören, gemeinsam zu lachen und um sich zu unterstützen. Lukas beschreibt in seinem Text seine Sicht auf ihre Freundschaft, die Höhen und Tiefen des Lebens und das immer bestehende und unterstützende Band zwischen Ihnen.

„Heute morgen bei Dantin – er wäscht. Vor seinem Haus ist er gebückt über die zwei Tröge als er mich lächelnd begrüßt. „Wie geht‘s Dir, Freund?“ fragt er mich. Heute wird er bei Misi arbeiten, seinem alten Chef – schon seit Jahren geht er zu ihm – für einen Hungerlohn und in Abhängigkeit, wie es mir scheint. Vor Jahren schon hatte ich die Idee, ihn dort einfach raus zu kaufen, das Problem zu lösen, ein wenig Geld in die Hand zu nehmen und schon wäre die Welt ein besserer Ort – aber das hat leider nicht funktioniert. Menschen können ganz schön kompliziert sein, denke ich mir und wechsel das Thema. „Wie geht‘s den Kindern?“ Das passt schon alles, sagt er mir. Sie würden sich eh viel wohler fühlen, seitdem sie wieder bei ihm wohnen. Nach dem BuKi Programm gehen Izsaak und Abel dann zu seiner Schwester, bis er irgendwann nach Hause kommt. Nur dieses ganze Waschen würde ihn wahnsinnig machen – alle paar Tage stapelt sich schon die Dreckwäsche und kochen müsse er ja auch noch. „Naja was soll‘s – so ist‘s, so muss man‘s lieben“ sagt er mir und ich frage mich, ob ich das alles schaffen würde. Sein Vater kommt zu uns – er wohnt direkt neben an – und fragt Dantin nach einer Zigarette. Er gibt ihm eine und wir schweigen. Ich verabschiede mich, muss weiter, auch Dantin muss weiter. Denn es ist morgen.

Abends komme ich wieder, wie fast jeden Tag. Ich war bei seiner Schwester, die auch nebenan wohnt, aber Dantin ist nicht rüber gekommen. Ich hadere mit mir, bin müde und weiß nicht was ich will. Aber irgendwas zieht mich zu meinem Freund und als ich eintrete, sehe ich es. Die Kinder, sie schlafen, aber er sitzt im Sessel, im kargen Zimmer im kalten Schein einer Lichterkette, er raucht und schaut mit glasigen Augen ins Leere. Er grüßt kaum während ich mich neben ihn setze, lege meinen Arm um ihn und wir reden. Lange reden wir über all das Chaos, das sich so mühelos auszubreiten scheint, über das Gefühl, ein Kartenhaus aufzubauen, das doch so leicht wieder zusammenfällt, über die Angst, dass nie alles gut sein wird. Wir reden von Geld und Perspektivlosigkeit. „Weißt Du eigentlich wie es ist, nie Geld zu haben?“ fragt er mich und nein, das weiß ich nicht. Er erzählt von seiner Zeit im Waisenhaus und von seinem Kampf darum, gesehen zu werden. „Wie ein Gefängnis!“, sei die Zeit gewesen. Er hatte noch vier Geschwister, von denen einer gestorben ist, aber nur er ist aus der Familie weggegeben worden, nur er war zu viel. „Warum ich?“ fragt er – und darauf habe ich keine Antwort. Er scheint mir zu ertrinken, in sich selbst und in dem Chaos welches all das Gute in der Welt zu verschlucken vermag – in diesem Moment. Denn es ist Nacht.

Dantin und Lukas

Wieder morgens – Dantin stößt geräuschvoll das Tor zum Kinga-Haus auf, klopft an der Tür, weil er weiß, dass ich es nicht mag, wenn Leute ohne zu klopfen herein kommen, wartet aber auf keine Antwort, er ist schon drin und lächelt mich an. „Noch im Bett, oder was?“ fragt er mich herausfordernd – denn sein Morgen hat schon lange begonnen. Er holt eine Axt, weil er im BuKi-Haus Holz hacken möchte. Ob er nicht bei Misi arbeitet, heute, frage ich ihn. „Der kann mich mal!“ Außerdem habe Heidi ihn um Hilfe gebeten. Ich erinnere mich an das Gespräch von letzter Nacht: „Wenn ich arbeite, wenn ich nur immer weiter mache, dann geht es, dann geht es weiter ich darf nur nicht stehen bleiben.“ Ich denke an den Kojoten in dem alten Zeichentrick Film, der über eine Klippe hinausrennt, aber immer weiter seine Beine bewegt als hätte er noch festen Boden unter den Füßen, nicht nach unten schaut sondern nach vorne, damit er nicht fällt, damit ihm das schweben gelingt. Und Dantin rennt und er schwebt – in diesem Moment. Dann reden wir über mich: Ich komme heute nicht ins BuKi-Haus, irgendeine Entscheidung hat mich die Nacht wachgehalten, wünsche mir Zeit für mich. Er hört mir zu, gibt mir Rat, heute legt er seinen Arm um mich. „Tudod Lukas, hogy szabad vagy, szabad mint egy madár“, sagt er mir – Du bist frei Lukas, frei wie ein Vogel. Ich danke ihm, wir verabschieden uns, jeder von uns beiden wieder allein im Tag und doch verbunden. Und ich denke mir, dass Dantin ein verdammt guter Freund sein kann.“

Dantin und LukasDantin und Lukas