Die Folgen des wachsenden Wohlstandes: €-Waisen im Roma-Viertel
Wenn Kinder ihren Halt verlieren

Das Schicksal führte Heidi Haller im Februar 2008 nach Cidreag. Rückblickend wird sich nach dieser Fahrt, Heidis Leben, komplett verändern.

Es war feucht-kalt bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Herzlich wird Heidi von ihr unbekannten Menschen in ihre Hütten eingeladen. Heidi trug warme GoreTex-Winterkleider, die Menschen um sie herum trugen meist leichte Jacken und liefen nicht selten barfuß in Gummistiefeln.

Auch 13 Jahre später begegnen wir im Roma-Viertel von Cidreag noch Kindern und Familien, die weit unterhalb der Armutsgrenze leben. Insgesamt aber hat sich die Wohn- und Lebenssituation im Viertel sichtbar verbessert.

Der europäische Arbeitsmarkt hat das Roma-Viertel von Cidreag erreicht. Bereits seit einigen Jahren machen sich Roma auf den Weg, um befristete Arbeitsstellen im europäischen Ausland anzunehmen. Für die Roma aus Cidreag bietet sich damit eine Chance auf besser bezahlte Jobs.

Die Menschen erzählen uns von ihren Tätigkeiten: Ernten Gurken in Bayern, sind in der Schweinemast in Niedersachsen, in Holland beim Ernten von Tomaten oder in fleischverarbeitenden Unternehmen. Wir sehen Bilder der Eltern auf den Smartphones der Kinder, wie sie in den Schweineställen stehen oder in riesigen Hallen, an meterhohen Stauden, Tomaten ernten.

Voller Stolz kommen die Menschen wieder nach Cidreag zurück, manche nach zwei, manche nach drei manche nach sechs Monaten. Das im Ausland verdiente Geld fließt zurück in den Ort. Der wachsende Wohlstand zeigt sich etwa an den renovierten und neugebauten Häusern.

Auf der anderen Seite sind die sozialen Folgen der Arbeitsmigration im BuKi-Haus angekommen: €-Waisen. Das sind Kinder, die von den Eltern zurückgelassen werden, um im europäischen Ausland Geld zu verdienen.

Wer passt auf die Kinder auf, wo kommen sie unter, wenn die Eltern weg sind? In der Regel werden die Kinder von der Großfamilie oder von den Nachbarn aufgefangen. Manchmal funktioniert dieses Experiment – ganz häufig aber leider nicht.

Schwierig wird es dann, wenn die Kinder in den Gastfamilien nicht richtig ankommen bzw. wenn die Kinder ihre Pflegeeltern nicht annehmen. Häufig haben Pflegefamilien selbst wenig Platz, leben am Existenzminimum oder sind mit zusätzlichen Kindern schlicht überfordert.

Diese Kinder verlieren ihren Halt und werden aus ihrer Bahn geworfen. Sie sind die Verlierer des Spiels und keiner nimmt es wahr.

Was macht BuKi?

  • In bestimmten Konstellationen kann BuKi die Pflegefamilien stabilisieren.
  • Wir sind in engem Kontakt mit den Pflegemüttern.
  • Die Kinder können sich bei BuKi waschen, ihre Kleider werden bei uns gerichtet, nicht selten erhalten die Familien Lebensmittelpakete.
  • Wenn wir es schaffen, die Tagesstruktur der Kinder aufrecht zu erhalten, dann ist es gut.

Das gelingt uns nicht immer. Manche Kinder kommen nicht mehr zu BuKi und verlassen die Schule, andere werden enorm verhaltensauffällig und können in unserer Betreuung nicht mehr gehalten werden.

Aktuell sind 10 BuKi-Kinder €-Waisen und in dieser für sie wirklich schwierigen Situation. Wir erleben das jeden Tag und manche Kinder berichten auch davon. Bei sehr vielen BuKi-Kindern ist in wechselnden Abschnitten ein Elternteil für längere Zeit nicht zu Hause.

Die Kinder vermissen ihre Eltern, brauchen mehr individuellen Halt und mehr persönliche Aufmerksamkeit. Im schlimmsten Fall zerbrechen Familien und die Kinder kommen in staatliche Betreuung. Zu unserem großen Bedauern mussten wir Anfang des Jahres mehrere Kinder abgeben. Das war für alle sehr bitter – für die Kinder und für uns.