Die Bildüberschrift ‚Wenn Kinder vergammeln‘ hat in unserem Umfeld zu einigen Diskussionen geführt. Warum stellt ihr Eure Kinder in einem so negativen Kontext dar? Wenn ihr das schon macht, könnt ihr nicht von vernachlässigt oder verwahrlost sprechen?

Kinder sind wie unbezahlbare Goldschätze, was wünschen wir uns mehr, als dass ihnen ihre Mütter und Väter Schutz, Liebe und Geborgenheit schenken, dass sie ihre Persönlichkeit frei entwickeln, glücklich und selbstbestimmt in ihr Leben treten können?

Wer in Cidreag durchs Roma-Viertel fährt, der mag sich die Frage stellen, warum BuKi in Cidreag tätig ist. Viele der Menschen arbeiten im europäischen Ausland als Erntehelfer oder in großen Tiermastbetrieben. Ihren Lohn tragen sie zu ihren Familien und ins Viertel zurück. Eine große Anzahl schön renovierter Häuser säumt heute die Hauptstraße, die den wachsenden Wohlstand im Viertel zum Ausdruck bringen.

Doch der wachsende Wohlstand erreicht nicht jeden im Ort. In der zweiten und dritten Reihe hinter den Häusern der Hauptstraße gibt es zahlreiche Ansammlungen von Elendshütten und Verschlägen, in denen die bittere Armut vieler Menschen sichtbar wird.

BuKi ist angetreten, um mit Bildung, Kinder aus ihren teils desolaten Lebensverhältnissen zu führen. Mit einem breiten Angebot an sozialen Dienstleistungen stärken wir die Kinder und ermöglichen ihnen so den Zugang zu gesunder Ernährung, Hygiene, Kleidern und einer geregelten Tagesstruktur. Wir federn ihre sozialen Hürden ab und begleiten sie auf ihrem Weg zur Schule.

Im täglichen Umgang, beim Frühstück, Mittagessen, in der schulpädagogischen Betreuung, der Unterstützung mit Lebensnahen Bildungseinheiten oder dem freien Spiel geht es nicht nur um die Inhalte, sondern vor allem auch um soziale Codes, die den Kindern den Zugang zur Bildung oder ihnen den Schritt zur Integration erst ermöglichen.

Obwohl sich viele Menschen ein besseres Leben wünschen, sind nicht alle in der Lage, die Hilfen von BuKi anzunehmen. BuKi fördert und fordert. Nur wenn die Kinder etwa regelmäßig die Schule besuchen, können wir ihnen unsere Hilfen anbieten. Das schaffen leider nur relativ wenige.

Die soziale Lage in den slumartigen Vierteln ist bedrückend. Und wir sind uns im Klaren, dass wir diese Verhältnisse kurzfristig nicht verändern werden. Es fehlt an grundlegenden Kompetenzen, Fragen des Alltags und des täglichen Lebens zu erkennen und zu lösen. Fehlentscheidungen der Menschen häufen sich mit tiefgreifend, negativen Folgen für ihre persönliche Lebenssituation.

Viele Familien und Kinder erhalten von uns rein humanitäre Hilfen. Wir erleben Kinder, zu denen wir auch persönlich eine enge Verbindung pflegen, in höchster Not und stehen hilflos daneben, weil wir ihnen nicht mehr helfen können. Ganz einfach, weil wir niemanden haben, der dies dann auch tut, weil uns die Mittel fehlen, die Hilfen bis in letzter Konsequenz umzusetzen. Diese Ohnmacht ‚nichts mehr tun zu können‘ lässt uns nicht kalt, sie belastet uns auch persönlich sehr.

Wir erleben einige Kinder nach Harz IV im freien Fall – ohne dass ein Ende sichtbar wäre. Das Leben spült die Kinder an, ihr Schicksal trägt sie fort. Die Begriffe ‚verwahrlost‘ und ‚vernachlässigt‘ sind schlicht zu hübsch für die Erbarmungslosigkeit mit der hier bei einigen Kindern das Schicksal zuschlägt. Das ‚Vergammeln von Kindern‘ ist Ausdruck einer schmerzhaften BuKi-Realität, die uns im Ort begegnet. Und weil diese Realität so präsent ist, wollen wir diese auch darstellen.

Gleichwohl befinden sich nicht alle Roma-Kinder sozial im freien Fall. Viele Kinder werden von BuKi betreut, deren Umfeld zwar arm, deren Familien aber stabil sind. Wir wissen, dass BuKi wirkt! Dass die engagierte sozialpädagogische Arbeit unserer Betreuerinnen viele unserer BuKi-Kinder erblühen lasst. Das macht uns Mut, uns auch weiterhin mit großer Empathie für die Roma-Kinder in Cidreag einzusetzen.

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