Second-Chance: Unter diesem Namen läuft seit zwei Wochen ein Programm für Kinder, das von unseren Freiwilligen drei Mal die Woche im BuKi-Haus durchgeführt wird. Die Idee dahinter ist, den Kindern, die nicht regelmäßig die Schule besuchen und die nicht Teil des BuKi-Programms sind, einen Platz zu geben.

Unsere Freiwillige Lena beschreibt in Ihrem Text „Zeit zum Landen“, wieso das Programm ins Leben gerufen wurde und welche Bedeutung es für die Kinder hat:

Vogelfrei

Es ist morgens, 7 Uhr. Ich schwinge mich auf mein Fahrrad und fahre die Straße entlang. Irgendwann biege ich nach links ab und fahre über den Schotterweg, bis ich vor dem kleinen hölzernen Häuschen stehe, mein Fahrrad abstelle und auf die Tür zugehe. Ich klopfe. Ich rufe ein bestimmtes „Guten Morgen“ und warte, bis mich jemand hereinbittet. Nun stehe ich inmitten von müden Gesichtern und verschlafenen Kindern. „Komm mit, auf geht’s zu BuKi und dann in die Schule“. Der kleine Junge – er kommt nicht mit.

Es ist Nachmittag, 16 Uhr. Ich laufe den kleinen Schotterweg erneut entlang. Ich halte Ausschau nach fünf Kindern, um sie mit ins BuKi-Haus zu nehmen. Da kommt einer von ihnen auf mich zugesprungen, ruft mir „Ja ich, ja Programm?“ entgegen. Ich nicke und sage „ja du, du hast heute Programm“. Die Augen des Jungen werden riesig, sie sprudeln vor Glück.

Die Kinder, die ich an diesem Tag mitnehme, sind eigentlich keine BuKi-Kinder. Dass nun ein Programm für sie stattfindet, ist nicht selbstverständlich – normalerweise bekommen sie auf die Frage „Ja ich, ja Programm?“ ein bedauerliches Kopfschütteln, denn sie sind nicht mehr bei BuKi – aus verschiedenen Gründen.

Gerade bei diesen Jungs wird deutlich, dass BuKi nur einen kleinen Teil der Kinder erreicht, die doch auf Unterstützung angewiesen wären. Die Jungs sind oft nicht in der Schule – einige von Ihnen sind es gar nicht mehr. Sie brechen Regeln. Sie scheinen nicht in die Strukturen zu passen, die Voraussetzungen für Schule und BuKi nicht erfüllen zu können. Sie sind vogelfrei.

Platz zum Landen

Kinder wieder einzufangen, die seit Jahren vogelfrei leben – ohne einen Platz zum Landen zu haben – ist herausfordernd. Die eine richtige Lösung gibt es nicht – hängen doch zu viele Ursachen zusammen, die sich gegenseitig bedingen. Eine hilfreiche Perspektive könnte jedoch sein, die Kinder nicht nach ihren Taten zu beurteilen, sondern sie als das zu sehen, was sie sind: Kinder.

Sie nicht zu bestrafen, sie nicht auszuschließen oder sie in Strukturen zu zwängen, die sie nicht erfüllen können, sondern ihnen zu zeigen, dass sie dazugehören, ihnen zuzutrauen, dass sie all das sein können, was sie sein wollen. Ihnen eine second chance zu geben – und damit einen Platz zum Landen.

Um Ihnen diesen Platz zu geben, findet nun drei Mal die Woche ein second-chance-Programm für fünf Kinder statt – einige ehemalige BuKi-Kinder, einige, die noch niemals in feste Strukturen eingebunden waren. In Kooperationsspielen, Fantasieübungen, Freizeitspielen und künstlerischen Inputs sollen die Kinder vor allem eines erfahren dürfen: Sie sind Teil. Sie gehören dazu. Sie werden angenommen, wie sie sind. Sie dürfen landen.