Die Szenen in der Dokumentation sind verstörend und inakzeptabel. Polizisten knüppeln auf wehrlos am Boden liegende Roma ein. Kinder werden auf brutale Weise eingeschüchtert. Journalisten berichten im Zusammenhang mit dem Ausbruch der Corona-Krise von Polizeigewalt gegenüber der Roma-Minderheit in Osteuropa. BuKi verurteilt diese ausdrücklich.

Jeder von uns erlebt die Auswirkungen der Corona-Krise persönlich. Über Wochen sind die sozialen Kontakte in Deutschland wie in Rumänien massiv eingeschränkt, wir fürchten uns davor krank zu werden und viele befinden sich in einer ökonomisch schwierigen Situation. Gerade dann wäre doch der gesellschaftliche Zusammenhalt, ein besonnenes und effektives Arbeiten von Politik und Verwaltung für die erfolgreiche Überwindung der Krise unabdingbar. Doch warum kommt es gerade jetzt zu den Ausschreitungen zwischen den Ethnien? Eine Beschreibung der Situation bei BuKi.

Früher als in Deutschland hat die rumänische Regierung Kindergärten und Schulen geschlossen und eine Ausgangssperre zur Eindämmung von Covid 19 verhängt. Seit dem 12. März ist das BuKi-Haus geschlossen und die Betreuerinnen in einer ‚technischen Arbeitslosigkeit‘. Die Maßnahmen der rumänischen Regierung wirkten strenger, vor allem auch die Strafen, wenn jemand dagegen verstoßen hatte. Auf der Straße hat man ein ausgefülltes Formular bei sich zu tragen, das den Gang zur Arbeit oder zum Einkaufen ermöglicht.

Bekannte und Freunde im BuKi-Umfeld hielten sich strikt an die Maßnahmen der Regierung. Vor allem, weil sie Angst vor einer Infektion hatten aber auch, weil sie oft mit älteren Menschen zusammenleben, diese versorgen und nicht mit einer Infektion gefährden wollten. Bis Mitte Mai war der Alltag extrem eingeschränkt. Die Menschen hielten sich weitgehend zu Hause auf oder bestellten im privaten Umfeld ihre Felder. In Cidreag gab es einzelne Fälle von Familien, die in Quarantäne waren. Dies geschah dann, wenn Familienmitglieder von ihrem Arbeitsaufenthalt im europäischen Ausland zurückkehrten. Es blieb bei diesen Ausnahmen.

Welchen Einfluss hat die Corona-Krise auf den Alltag im Roma-Viertel? Kommt man ins Roma-Viertel in Cidreag, dann fallen neu gebaute Einfamilienhäuser auf, die die Straße links und rechts säumen. Sie weisen auf einen Wohlstand hin, der in den vergangenen Jahren in das Viertel gekommen ist. Fast übersieht man die bescheidenen Häuser und Elendshütten der zweiten und dritten Reihe, wo auch weiterhin viele Familien in äußerst prekären Lebensverhältnissen leben. Wir schätzen, dass von etwa 700 Menschen ca. 200-300 Personen unterhalb der Armutsgrenze leben.

Manche Roma verdienen ihr Geld als Handwerker, sind gesucht als Erntehelfer im europäischen Ausland, finden Arbeit in der Industrie in Satu Mare oder verdienen ihr Geld als Tagelöhner und Knechte bei den Bauern auf den umliegenden Feldern. Meist verrichten sie die weniger gut bezahlten Jobs. Die Corona-Krise trifft die Ärmsten der Armen in voller Härte. Gerade Tagelöhner haben sofort nach Ausbruch der Krise ihre Jobs auf den Feldern verloren. Mit jedem Tag ohne Einkommen werden die Vorräte weniger. Sehr schnell haben diese Menschen nichts mehr zu Essen und hungern. Konkret betrifft dies in Cidreag etwa 200 Personen.

Die Corona-Krise ist auch im Roma-Viertel von Cidreag angekommen. Diese wird dort von den meisten Menschen jedoch nicht als Gefahr für ihre Gesundheit wahrgenommen. Dass Kontakte reduziert und auf Abstände geachtet werden müsste, dafür fehlt das Verständnis. Schwierig ist auch, dass viele der Menschen auf engstem Raum leben, wo Abstandsregeln und Ausgangssperren unmöglich realisierbar sind. In vielen Häusern gibt es darüber hinaus kein Bad geschweige von fließendem Wasser. So dass ein regelmäßiges Waschen der Hände nicht möglich ist.

Die Lebenswelten im Roma-Viertel sind eigene und über eine staatliche Verordnung nicht zu steuern. Was macht ein Bürgermeister in einer Situation wie der Corona-Krise? Er hat ein ernsthaftes Problem, weil er genau weiß, dass die Ausgangs- und Kontaktsperren im Roma-Viertel so gut wie nicht eingehalten werden.

Die Corona-Krise zeigt, wie schwierig es ist, staatliches Handeln in ein Roma-Viertel hinein so zu kommunizieren, dass es dort auch verstanden wird. Konflikte lassen sich dabei nicht ausschließen – sie müssen aber nicht eskalieren.

Wenn man nun während dieser Krise in einem Ort lebt, wo sich die eine Hälfte der Menschen nicht an die Regeln gegen die Verbreitung des Virus hält, kann man verstehen, dass die andere Hälfte der Menschen sich genau davor fürchtet. Diese Ängste müssen ernst genommen werden. Mit ihrem Verhalten tragen die Roma dazu bei, dass bestimmte Vorurteile gegen sie weitergetragen werden. Leider verstehen sie das selbst nicht.

BuKi bewegt sich mit der Kindertagesstätte und seinen humanitären Hilfen zwischen den ethnischen Grenzen. Diese über lange Zeit entstandenen Grenzen sind für uns als Außenstehende nicht sichtbar, prägen aber das Verhalten der Menschen im gegenseitigen Umgang. Weil wir diese Grenzen nicht kennen, brechen wir in unserem Handeln als Institution in vieler Hinsicht Tabus und stoßen an allen denkbaren Seiten an.

Doch was wir erkennen können ist, dass die stark verkrustete ethnische Grenze an mancher Stelle brüchiger und weicher geworden ist. Dass an mancher Stelle Kommunikation stattfindet, wo in der Vergangenheit kein Austausch möglich war. Ein konstruktiver Austausch und Kommunikation auf Augenhöhe sind notwendig, wenn gemeinsam Krisen, wie jetzt mit Covid 19, gemeistert werden sollen. Dazu ist ein aktiver Schritt und Beitrag, von Roma und ‚Weißen‘, notwendig. Dieser Schritt muss an vielen Orten noch gegangen werden.