Bildungsarbeit

Nähe-Distanz

Ihr Lieben,

ihr schreibt und sagt mir oft, wie glücklich ich auf den Bildern aussehe. Und tatsächlich: Ich bin ziemlich froh, wieder hier zu sein. Und dennoch bin ich teilweise so traurig und auch frustriert.

Meine Morgene sind so ambivalent, ich wecke jeden Morgen die Kinder und bekomme in diesen zwei Stunden schon so viel mit. Positives wie Negatives und jeder Tag ist eine Wundertüte. Auf dem Weg ins Viertel frage ich mich jedes Mal: Was wird mich heute erwarten?

Ich sehe so viele Kinder, die schwer traumatisiert sind. Ich würde gerne mehr helfen, aber auch ich gehe in einem Monat wieder zurück. Was passiert danach mit ihnen? Schadet ihnen die enge Bindung, die ich zu ihnen aufgebaut habe? Ich tue mein Bestes und bin immer noch hin und hergerissen zwischen Nähe und Distanz. Die Kinder haben einfach schon zu viel (Traumatisches) erlebt, ich möchte ihnen den Wunsch nach Nähe und Liebe nicht verwehren. Dennoch merke ich gerade, wie wichtig ich für manche Kinder bin und es tut mir unglaublich weh, dass ich ‚einfach‘ gehe… Ich stolpere in ihren Alltag herein, komme morgens zu ihnen nach Hause, wecke sie liebevoll, frühstücke mit ihnen zusammen, schaue, dass sie genügend essen, ziehe ihnen warme Sachen an, die Liste geht weiter und weiter. Alles Aufgaben, die bei mir zu Hause meine Eltern übernommen haben und dies mit viel Liebe und Freude… Hier müssen wir das für einige Kinder übernehmen.

Soziale Arbeit ist immer auch Beziehungsarbeit. Das erste, was wir machen, ist eine Beziehung aufzubauen. So lässt es sich besser gemeinsam arbeiten. Meine Beziehung zu den Kindern ist gut, ich weiß, dass sie mir vertrauen, mich schätzen und mir viel erzählen (trotz Sprache). Und trotzdem kann ich nicht allen helfen oder helfe nur in diesen drei Monaten.

Ihr merkt, ich bin gerade ziemlich nachdenklich, reflektiere mein Verhalten, und überlege was ich besser machen könnte. Ich weiß es immer noch nicht. Denn auch wenn die Bindung vielleicht zu eng ist, weiß ich, dass manche Kinder diese Nähe so sehr brauchen.